Zum dritten Mal Autorentreffen – und doch ist es diesmal ein wenig anders: Gerry und Andrea können nicht dabei sein, nur Paul und ich vertreten unsere Grazer Schreibrunde. Ich habe zu spät gebucht und wohne in der Vorstadt südlich des Bahnhofs in einem Privatquartier, aber immerhin mit WLan-Zugang. In die Innenstadt brauche ich zu Fuß 15 Minuten, das schadet mir nicht.
Ich reise am Mittwoch an, schreibe noch ein paar Zeilen an meiner aktuellen Geschichte (die Motivation von Uschi Zietschs Schreibseminar hält an), und breche gegen 19:15 Richtung Grauersche Buchhandlung auf. Der erste, den ich schon auf der Straße treffe, ist Klaus Frick, der noch bis in den Nachmittag in Rastatt arbeitete und gerade mit dem Auto angekommen ist. Verständlicherweise mit großem Hunger, der gestillt werden wollte.
In der Buchhandlung begrüßen mich Ursula Schmid-Spreer und Heinz Spreer schon als alten Bekannten. Ich treffe auch Fans vom Perry-Rhodan-Stammtisch Nürnberg, die ich schon von diversen Cons kannte.
Pünktlich um 20:00 führt Frau Grauer in die Lesung ein. Titus Müller startet mit seinem neuen Buch „Die Jesuitin von Lissabon„, das nicht wie Titus‘ andere Bücher im Mittelalter spielt, sondern zur Zeit des großen Erdbebens am 1.11.1755. Wie üblich erweitert Titus mein historisches Wissen, diesmal über die Jesuiten. Er schließt mit einigen humorvollen Szenen aus dem Verhältnis zu seinen Brüdern, die in seinem „Das kleine Buch für Lebenskünstler“ erschienen sind.
Oliver Pautsch (im Bild links) stellt kurz seine Jugendkrimis vor, um dann aus seinen Rheinland-Regional-Erwachsenenkrimis „Tödliche Stille“ und der „Seelentöter“ über die Hauptkommissarin Hanna Broder aus Niedersachsen zu lesen. Besonders interessant ist, dass „Seelentöter“ kein klassischer „Whodunit“-Krimi ist, sondern ein „Howcatchem“, in dem der Mörder bereits früh feststeht und die Spannung aus Suche nach ihm entsteht.
Klaus Frick (interessant, dass das Wikipedia-Add-On „Chaostage“ bringt, wenn ich im Google nach Klaus suche) liest eine Kurzgeschichte vor, die er im Magira Jahrbuch 2006 veröffentlichte. Ich denke, dass sich viele Fantasy-Freunde in ihr wiedergefunden haben – vielleicht nicht in allen Details.
Danach kommt der obligatorische „Absacker“ im Barfüßer, wo noch Volkmar Kuhnle von der Perry-Rhodan-Fan-Edition zu uns stößt, der stundenlang im Stau auf der A3 zwischen Frankfurt und Würzburg stand. Gegen Mitternacht brechen wir auf. Die meisten übernachten im CPH eine Kirche weiter.
Donnerstag früh schreibe ich noch ein wenig, breche aber bald zum Bildungszentrum auf, wo ich um 9:15 eintreffe. Ich nehme mir einen Tee und plaudere mit Bekannten. Uschi Schmid-Spreer eröffnet das Autorentreffen mit Ehrung der Kollegen, die von Anfang an dabei waren. Dann die Statistik für 2009: 117 l Getränke, 5 kg Kaffee und 102 Teebeutel – für die sie mich verantwortlich macht! Also zähle ich mit – am Ende des Tages sind es neun, weniger als 10%. Und ich habe keine 1 ½ l Milch, Saft, Wasser und andere Getränke konsumiert (117 : 80)!
Oliver Pautsch erzählt, wie er ins Filmgeschäft kam (er begann als Fahrer) und liest eine Kurzgeschichte, die in den Tagungsunterlagen enthalten ist, und die er vor 30 Jahren aus Liebe schrieb. Er entwickelte sie zum Drehbuch und fand auf der Hochschule einen Regisseur, der sie für seine Abschlussarbeit verfilmte. Bezeichnend für die Stellung des Drehbuchautors: Dieser Film erhielt den Studentenoskar, Oliver wurde aber vom Team bei der Feier vergessen. Den Film sehen wir auch, Oliver hat eine DVD mit seinen Arbeiten zusammengestellt, die er bei Bewerbungen vorlegt.
Gelungen finde ich den Ausdruck „Bügelfernsehen“, wo in Umkehrung des „Show, don’t tell“ alles, was gezeigt wird, auch im Dialog vorkommen muss, da die Zielgruppe der Handlung vorwiegend akustisch folgt („Tell everything“).
Nach der Pause beantwortet Oliver Fragen der Zuhörer. Drehbuchschreiben erfordert insbesondere im Dialog eine künstliche Sprache. „Die Kunst ist, es nicht künstlich klingen zu lassen“. Es ist eine sehr technische Form des Schreibens, hohe Anforderungen werden an die Formatierung gestellt. Weitere Details zum Thema Drehbuch beantwortet Oliver im Autorenforum. Um in die Film-/Fernseh-/Theaterszene zu kommen, ist es wichtig, ein Netzwerk aufzubauen, und einen Namen zu bekommen. Man darf sich nicht zu schade für irgendetwas sein – etwa für eine Serie zu schreiben, die man niemals anschauen würde. Und man braucht einen langen Atem: Filmprojekte ziehen sich über 3-5 Jahre hin. Und Geld bekommt man irgendwann.
Nach dem Mittagessen führt Titus in die Entwicklung von Szenen ein. Ein wenig überschneidet sich das mit dem Vortrag des Vorjahres zur Überarbeitung. Daher nur die wichtigsten Punkte:
- Ort: detailliert Geräusche, Düfte und Gefahren schildern.
- Perspektive klarstellen: Namen nennen
aber auch möglich: der subtile Perspektivenwechsel (zum Beispiel in einem Zoom). Diesen aber sparsam einsetzen - Länge der Szene beachten – nicht zu kurz
- Bricht sie im richtigen Moment ab? Fragen offen lassen (außer am Schluss natürlich, wenn man keinen zweiten Band plant).
- Das Potential der Figuren ausnützen, die Motivation beachten
Gut gefällt mir der Tipp, auf Karteikarten Konflikt und Emotion mit Symbolen zu notieren (><, +/-). - Authentizität der Dialoge
- Erzählgeschwindigkeit
- Sinne ansprechen
- Konstruktionswiederholungen vermeiden (nicht nur Wortwiederholungen, sondern auch Vorsicht bei Personalpronomen und Satzlänge). Einen musikalischen Rhythmus im Text finden.
- Überflüssige Adjektive streichen
In der Pause lädt Uschi Schmid-Spreer zu einem Glas Sekt ein. Ich bleibe bei Tee, mein Anteil findet aber anscheinend doch Absatz, wie die Erheiterung einiger Teilnehmer zeigt.
Nachdem Klaus Frick sein Angstwässerchen abgelassen hat (Zitat U.S.-S.), erzählt er uns zuerst aus seinem Leben als Redakteur und wie es dazu kam, dass er seiner Assistentin Kaffee kocht. Launige Informationen über den Tübinger Studentenalltag (er verkleidete sich, um in der Mensa essen zu können) und seine Versuche, Vegetarier zu werden, leiten zu einer Einführung in das Genre „Fantasy“ über. Er zitiert Andreas Eschbach: „Manche Menschen haben keinen Phantasiemuskel“ (Google liefert dafür immerhin 615 Einträge). Klaus war Juror beim Heyne-Phantastik-Wettbewerb 2008 (1400 eingesendete Manuskripte, davon 1300 „Mist“ – was er durch Zitate belegen konnte).
Klaus unterscheidet zwischen Phantastik und Fantasy, definiert den Unterschied zu Science Fiction und Horror und erläutert die Subgenres (Sword & Sorcery, Epic/High Fantasy, Urban F., Humorvolle F., Tier-F., Romantic F./Romantasy, Paranormal Romance, Alternative Welten, Science F., Steampunk, Dark F.), sowie die Begriffe All Age und Young Adult. Ein Autor muss bereits in seinem ersten Anschreiben an einen Verlag sein Werk genau einordnen, sonst wirkt er unprofessionell.
Zum Verlagsgeschäft gibt er abschließend noch wichtige Hinweise:
- Schreib DEIN Ding. Orientiere dich nicht am Markt. J.K.Rowling ist nicht mit Marktforschung berühmt geworden, sondern weil sie ein neues Subgenre begründet hat.
- Schreib so gut wie möglich (Zitat eines Autors aus einer Schreibwerkstatt, nachdem Klaus dessen Text „zerpflückt“ hat: „Das zu ändern ist aber viel Arbeit“). Schreib das Beste, was du schreiben kannst!
- Keine Druckkostenzuschussverlage! Einem Verlag, der nicht an den Autor glaubt, sollte man nicht vertrauen.
- Erlaubt ist, selbst in Printing On Demand veröffentlichen. Das ist nichts Ehrenrühriges, weil die Rechte beim Autor bleiben und dieser für sein Geld eine Gegenleistung erhält.
- Auch andere Medien berücksichtigen. Für VPM rentieren sich Hörbücher bereits ab einer dreistelligen Verkaufszahl.
Nach einem eher abrupten Ende essen wir im O’Sheas sehr beengt, aber sehr gut zu Abend.
Dann wagen sich einige Mutige auf die Bühne, um unter unseren kritischen Ohren aus ihren Manuskripten zu lesen. Klaus Frick und André Hille von der Textmanufaktur Leipzig geben Kommentare zu den Texten ab. Unsere Wiener Kollegin Waltraut Zuleger startet mit ihrer Geschichte über eine Polizeiermittlung vor 150 Jahren und wird für ihren Text mit Applaus belohnt. Hierauf liest Dolores einige kurze Gedichte über Bären und Autoren. Danach eine düstere Story über Trennung und das Totfahren von Rehen, die eine eigenartige Stimmung hinterlässt. Herr Benedikt liest wieder aus seinen Gedichten. Wie lange kann er dem Wunsch nach Veröffentlichung noch widerstehen? Doch auch hier gibt es Kritik. Ein Fantasyroman folgt, der drei Kinder im Wald zeigt. Eine Kurzgeschichte über ein Mädchen, das ins Drogenmilieu abrutscht, führt zu unserem Grazer Kollegen Paul, der durch einen Anruf gestört wird, während er vorliest, wie seine Figur durch einen Anruf gestört wird. Zum Abschluss folgt die bühnenreife Lesung eines Paares, das sich in Karl-Valentin-Liesl-Karlstadt-hafter Weise Stichwörter und Wortspiele zuwirft.
Uschi Schmid-Spreer beendet das Autorentreffen.
Auf dem Rückweg zum Quartier treffe ich noch ein paar andere Teilnehmer. Wir verabschieden uns mit:
Bis nächstes Jahr!
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