Autorentreffen Nürnberg 2010

•Fr, 14. Mai 2010 • 4 Kommentare

Zum dritten Mal Autorentreffen – und doch ist es diesmal ein wenig anders: Gerry und Andrea können nicht dabei sein, nur Paul und ich vertreten unsere Grazer Schreibrunde. Ich habe zu spät gebucht und wohne in der Vorstadt südlich des Bahnhofs in einem Privatquartier, aber immerhin mit WLan-Zugang. In die Innenstadt brauche ich zu Fuß 15 Minuten, das schadet mir nicht.

Ich reise am Mittwoch an, schreibe noch ein paar Zeilen an meiner aktuellen Geschichte (die Motivation von Uschi Zietschs Schreibseminar hält an), und breche gegen 19:15 Richtung Grauersche Buchhandlung auf. Der erste, den ich schon auf der Straße treffe, ist Klaus Frick, der noch bis in den Nachmittag in Rastatt arbeitete und gerade mit dem Auto angekommen ist. Verständlicherweise mit großem Hunger, der gestillt werden wollte.

In der Buchhandlung begrüßen mich Ursula Schmid-Spreer und Heinz Spreer schon als alten Bekannten. Ich treffe auch Fans vom Perry-Rhodan-Stammtisch Nürnberg, die ich schon von diversen Cons kannte.

Pünktlich um 20:00 führt Frau Grauer in die Lesung ein. Titus Müller startet mit seinem neuen Buch „Die Jesuitin von Lissabon„, das nicht wie Titus‘ andere Bücher im Mittelalter spielt, sondern zur Zeit des großen Erdbebens am 1.11.1755. Wie üblich erweitert Titus mein historisches Wissen, diesmal über die Jesuiten. Er schließt mit einigen humorvollen Szenen aus dem Verhältnis zu seinen Brüdern, die in seinem „Das kleine Buch für Lebenskünstler“ erschienen sind.

Oliver Pautsch (im Bild links) stellt kurz seine Jugendkrimis vor, um dann aus seinen Rheinland-Regional-Erwachsenenkrimis „Tödliche Stille“ und der „Seelentöter“ über die Hauptkommissarin Hanna Broder aus Niedersachsen zu lesen. Besonders interessant ist, dass „Seelentöter“ kein klassischer „Whodunit“-Krimi ist, sondern ein „Howcatchem“, in dem der Mörder bereits früh feststeht und die Spannung aus Suche nach ihm entsteht.

Klaus Frick (interessant, dass das Wikipedia-Add-On „Chaostage“ bringt, wenn ich im Google nach Klaus suche) liest eine Kurzgeschichte vor, die er im Magira Jahrbuch 2006 veröffentlichte. Ich denke, dass sich viele Fantasy-Freunde in ihr wiedergefunden haben – vielleicht nicht in allen Details.

Danach kommt der obligatorische „Absacker“ im Barfüßer, wo noch Volkmar Kuhnle von der Perry-Rhodan-Fan-Edition zu uns stößt, der stundenlang im Stau auf der A3 zwischen Frankfurt und Würzburg stand. Gegen Mitternacht brechen wir auf. Die meisten übernachten im CPH eine Kirche weiter.

Donnerstag früh schreibe ich noch ein wenig, breche aber bald zum Bildungszentrum auf, wo ich um 9:15 eintreffe. Ich nehme mir einen Tee und plaudere mit Bekannten. Uschi Schmid-Spreer eröffnet das Autorentreffen mit Ehrung der Kollegen, die von Anfang an dabei waren. Dann die Statistik für 2009: 117 l Getränke, 5 kg Kaffee und 102 Teebeutel – für die sie mich verantwortlich macht! Also zähle ich mit – am Ende des Tages sind es neun, weniger als 10%. Und ich habe keine 1 ½ l Milch, Saft, Wasser und andere Getränke konsumiert (117 : 80)!

Oliver Pautsch erzählt, wie er ins Filmgeschäft kam (er begann als Fahrer) und liest eine Kurzgeschichte, die in den Tagungsunterlagen enthalten ist, und die er vor 30 Jahren aus Liebe schrieb. Er entwickelte sie zum Drehbuch und fand auf der Hochschule einen Regisseur, der sie für seine Abschlussarbeit verfilmte. Bezeichnend für die Stellung des Drehbuchautors: Dieser Film erhielt den Studentenoskar, Oliver wurde aber vom Team bei der Feier vergessen. Den Film sehen wir auch, Oliver hat eine DVD mit seinen Arbeiten zusammengestellt, die er bei Bewerbungen vorlegt.

Gelungen finde ich den Ausdruck „Bügelfernsehen“, wo in Umkehrung des „Show, don’t tell“ alles, was gezeigt wird, auch im Dialog vorkommen muss, da die Zielgruppe der Handlung vorwiegend akustisch folgt („Tell everything“).

Nach der Pause beantwortet Oliver Fragen der Zuhörer. Drehbuchschreiben erfordert insbesondere im Dialog eine künstliche Sprache. „Die Kunst ist, es nicht künstlich klingen zu lassen“. Es ist eine sehr technische Form des Schreibens, hohe Anforderungen werden an die Formatierung gestellt. Weitere Details zum Thema Drehbuch beantwortet Oliver im Autorenforum. Um in die Film-/Fernseh-/Theaterszene zu kommen, ist es wichtig, ein Netzwerk aufzubauen, und einen Namen zu bekommen. Man darf sich nicht zu schade für irgendetwas sein – etwa für eine Serie zu schreiben, die man niemals anschauen würde. Und man braucht einen langen Atem: Filmprojekte ziehen sich über 3-5 Jahre hin. Und Geld bekommt man irgendwann.

Nach dem Mittagessen führt Titus in die Entwicklung von Szenen ein. Ein wenig überschneidet sich das mit dem Vortrag des Vorjahres zur Überarbeitung. Daher nur die wichtigsten Punkte:

  • Ort: detailliert Geräusche, Düfte und Gefahren schildern.
  • Perspektive klarstellen: Namen nennen
    aber auch möglich: der subtile Perspektivenwechsel (zum Beispiel in einem Zoom). Diesen aber sparsam einsetzen
  • Länge der Szene beachten – nicht zu kurz
  • Bricht sie im richtigen Moment ab? Fragen offen lassen (außer am Schluss natürlich, wenn man keinen zweiten Band plant).
  • Das Potential der Figuren ausnützen, die Motivation beachten
    Gut gefällt mir der Tipp, auf Karteikarten Konflikt und Emotion mit Symbolen zu notieren (><, +/-).
  • Authentizität der Dialoge
  • Erzählgeschwindigkeit
  • Sinne ansprechen
  • Konstruktionswiederholungen vermeiden (nicht nur Wortwiederholungen, sondern auch Vorsicht bei Personalpronomen und Satzlänge). Einen musikalischen Rhythmus im Text finden.
  • Überflüssige Adjektive streichen

In der Pause lädt Uschi Schmid-Spreer zu einem Glas Sekt ein. Ich bleibe bei Tee, mein Anteil findet aber anscheinend doch Absatz, wie die Erheiterung einiger Teilnehmer zeigt.

Nachdem Klaus Frick sein Angstwässerchen abgelassen hat (Zitat U.S.-S.), erzählt er uns zuerst aus seinem Leben als Redakteur und wie es dazu kam, dass er seiner Assistentin Kaffee kocht. Launige Informationen über den Tübinger Studentenalltag (er verkleidete sich, um in der Mensa essen zu können) und seine Versuche, Vegetarier zu werden, leiten zu einer Einführung in das Genre „Fantasy“ über. Er zitiert Andreas Eschbach: „Manche Menschen haben keinen Phantasiemuskel“ (Google liefert dafür immerhin 615 Einträge). Klaus war Juror beim Heyne-Phantastik-Wettbewerb 2008 (1400 eingesendete Manuskripte, davon 1300 „Mist“ – was er durch Zitate belegen konnte).

Klaus unterscheidet zwischen Phantastik und Fantasy, definiert den Unterschied zu Science Fiction und Horror und erläutert die Subgenres (Sword & Sorcery, Epic/High Fantasy, Urban F., Humorvolle F., Tier-F., Romantic F./Romantasy, Paranormal Romance, Alternative Welten, Science F., Steampunk, Dark F.), sowie die Begriffe All Age und Young Adult. Ein Autor muss bereits in seinem ersten Anschreiben an einen Verlag sein Werk genau einordnen, sonst wirkt er unprofessionell.

Zum Verlagsgeschäft gibt er abschließend noch wichtige Hinweise:

  1. Schreib DEIN Ding. Orientiere dich nicht am Markt. J.K.Rowling ist nicht mit Marktforschung berühmt geworden, sondern weil sie ein neues Subgenre begründet hat.
  2. Schreib so gut wie möglich (Zitat eines Autors aus einer Schreibwerkstatt, nachdem Klaus dessen Text „zerpflückt“ hat: „Das zu ändern ist aber viel Arbeit“). Schreib das Beste, was du schreiben kannst!
  3. Keine Druckkostenzuschussverlage! Einem Verlag, der nicht an den Autor glaubt, sollte man nicht vertrauen.
  4. Erlaubt ist, selbst in Printing On Demand veröffentlichen. Das ist nichts Ehrenrühriges, weil die Rechte beim Autor bleiben und dieser für sein Geld eine Gegenleistung erhält.
  5. Auch andere Medien berücksichtigen. Für VPM rentieren sich Hörbücher bereits ab einer dreistelligen Verkaufszahl.

Nach einem eher abrupten Ende essen wir im O’Sheas sehr beengt, aber sehr gut zu Abend.

Dann wagen sich einige Mutige auf die Bühne, um unter unseren kritischen Ohren aus ihren Manuskripten zu lesen. Klaus Frick und André Hille von der Textmanufaktur Leipzig geben Kommentare zu den Texten ab. Unsere Wiener Kollegin Waltraut Zuleger startet mit ihrer Geschichte über eine Polizeiermittlung vor 150 Jahren und wird für ihren Text mit Applaus belohnt. Hierauf liest Dolores einige kurze Gedichte über Bären und Autoren. Danach eine düstere Story über Trennung und das Totfahren von Rehen, die eine eigenartige Stimmung hinterlässt. Herr Benedikt liest wieder aus seinen Gedichten. Wie lange kann er dem Wunsch nach Veröffentlichung noch widerstehen? Doch auch hier gibt es Kritik. Ein Fantasyroman folgt, der drei Kinder im Wald zeigt. Eine Kurzgeschichte über ein Mädchen, das ins Drogenmilieu abrutscht, führt zu unserem Grazer Kollegen Paul, der durch einen Anruf gestört wird, während er vorliest, wie seine Figur durch einen Anruf gestört wird. Zum Abschluss folgt die bühnenreife Lesung eines Paares, das sich in Karl-Valentin-Liesl-Karlstadt-hafter Weise Stichwörter und Wortspiele zuwirft.

Uschi Schmid-Spreer beendet das Autorentreffen.

Auf dem Rückweg zum Quartier treffe ich noch ein paar andere Teilnehmer. Wir verabschieden uns mit:

Bis nächstes Jahr!

Minki 1995 – 2009

•Fr, 25. Dezember 2009 • Kommentar verfassen

Vorgestern musste ich unsere Familienkatze Minki wegen akuten Nierenversagens einschläfern lassen. Schon seit einiger Zeit war sie nicht mehr so agil wie früher – eine große Sportlerin war sie nie, deswegen gab uns das nicht zu denken; wir führten es auf ihr hohes Alter zurück. Am Dienstag ließ sie ihr Abendfutter stehen. Sie kam auch nach mehreren Rufen nicht und verbrachte die Nacht außer Haus, was uns nicht beunruhigte, es war nicht allzu kalt und sie hatte das in unregelmäßigen Abständen immer wieder getan. Gegen Mittag rief meine Frau mich an, die Nachbarin hatte sie in ihrem Haus gefunden. Sie konnte sich kaum mehr bewegen und verlor, kurz nachdem sie getrunken hatte, ihren Harn. Ich fuhr mit ihr zum Tierarzt, der sie als Notfall sofort untersuchte. Leider konnte er nichts mehr machen. Als er sie einschläferte, legte ich meine Hand auf ihren Kopf, damit sie mich noch riechen konnte. Danach deckte ich sie mit ihrem Streicheltuch zu.

Minki kam gemeinsam mit ihrer besten Freundin Mauzi im Juli 1995 aus dem Tierheim zu uns. Zwei streunende Hunde hatten kurz zuvor unseren einjährigen Kater getötet, und wir wollten diese Lücke in unserem Leben ausfüllen. Minki war am Anfang die zutraulichere, obwohl sie sehr schreckhaft war und anscheinend schon Böses erlebt hatte: Sie blieb immer vorsichtig gegenüber Unbekannten, und es dauerte sehr lange, bis sie jemanden als „bekannt“ akzeptierte. Mauzi war die aktivere, streunte manchmal auch tage- und nächtelang umher. Minki war immer in der Nähe des Hauses zu finden, meist in unserem Garten, ganz selten lief sie um das Nachbarhaus, um auf der Eingangsseite auf uns zu warten.

Ein oder zwei Jahre später bekamen beide ihre ersten (und einzigen) Jungen. Minki sah man das deutlich an, Mauzi schien nicht trächtig zu sein. Minki warf fünf Kätzchen im Bett meiner ältesten Tochter, die damals elf oder zwölf Jahre alt war. Am Tag darauf kam sie ganz aufgeregt und zeigte uns drei weitere Kätzchen, wobei sie dachte, dass Minki einen Tag später noch einmal geworfen hätte. Natürlich waren diese von Mauzi. Die Kätzchen fanden reißenden Absatz, alle waren sehr zutraulich. Einige nahm ich auf ein Schulfest mit, ich hoffe, dass sie noch immer auf ihrem guten Platz sind. Gekümmert haben sich die beiden abwechselnd um die Kleinen, wobei Minki häufiger bei ihnen war und oft alle acht gesäugt hat.

Die Jahre vergingen, die Katzen lebten mit uns. Vor einiger Zeit bemerkten wir, dass Minki kein Trockenfutter mehr mochte – ein Anzeichen ihrer Nierenschädigung? Wir dachten, dass manche Katzen sehr eigenwillig seien, und gaben ihr Feuchtfutter, was sie auch gerne fraß. Mit dem Auszug der Kinder verlor sie ihre Freundin, die nach Hartberg übersiedelt wurde. Im Bett schlafen durfte sie nicht mehr, nachdem sie dort einmal „einnässte“. Auch mit der Treppe begann sie sich zu plagen, aber ich wollte, dass sie ein wenig Bewegung machte. Sie wirkte nicht, als hätte sie Schmerzen. Im Nachhinein könnte man das alles als Vorzeichen der Nierenerkrankung deuten – laut Tierarzt die häufigste Todesursache bei alten Katzen, noch vor den Giftködern.

Sie fing gerne Blindschleichen und legte sie uns vor die Türe (Mauzi jagte Vögel und Mäuse).

Eine eigene Technik entwickelte sie zum Überklettern von Zäunen. Während Mauzi mit einem Satz oben war, zog Minki die Freeclimber-Variante vor: Pfote um Pfote hängte sie sich in Unebenheiten ein und zog sich langsam nach oben, um dann lange darüber nachzudenken, wie sie sich an den Abstieg machen sollte.

In letzter Zeit saß sie gerne in der Sonne, bevorzugt an ungewöhnlichen Orten: meine Gartenschuhe, die Garteneisenbahn…

Hier noch ein paar Fotos, die alle aus ihrem Verhalten entsprangen; sie wurde nie irgendwo hingesetzt oder gelockt, um ein nettes Bild zu machen, sondern es sind Schnappschüsse:

Ausreden

•Do, 24. Dezember 2009 • Kommentar verfassen

Zufällig habe ich heute wieder einmal in mein Blog geschaut, na ja, nicht zufällig, sondern ich habe im Internet ein neues Bild von mir gefunden, das nicht nach Schwerverbrecher aussieht – stimmt so auch nicht, Gerry hat mir den Link auf Erich Loydls Seite gesendet – und ich wollte es mit dem alten vergleichen. (Zweiter Anlauf – Word ist bei der Kontrolle der Blog-Einstellungen sang- und klanglos abgestürzt, nachdem ich mich schon gefreut hatte, dass alle Einstellungen beim Installieren von Windows 7 im Juli übertragen worden sind.) Sechs Monate sind auch eine gute Zeit, wieder anzufangen oder – je nach Sichtweise – weiter zu machen.

Allerdings war ich in dieser Zeit nicht untätig. Aus der Kepler-Kurzgeschichte ist zwar nichts geworden – der Stoff, den ich gesammelt habe, reicht für einen ganzen Roman, jetzt muss ich erst einmal ein paar aktuelle Kepler-Romane lesen, damit ich mich nicht des Plagiats schuldig mache – dafür habe ich eine für einen Wettbewerb fertig gestellt, leider war sie zu lang und ich fand nichts, was ich noch weglassen hätte können.

Eine zweite reichte ich als Textprobe für das SF-Kurzge-schichtenseminar an der Bundesakademie in Wolfenbüttel ein (Hier ein Bericht von Klaus N. Frick, einem der Dozenten, im Bild rechts). Die dritte habe ich vergangenen Freitag an Uwe Anton geschickt, den Exposé-Autor der Perry-Rhodan-Serie und zweiten Dozenten (Mitte). Ich hoffe, dass er Zeit findet, sie zu lesen, trotz allen Stresses, den er hat. Der dritte im Bild ist Dr. Olaf Kutzmutz, der Leiter des Programmbereiches Literatur der Bundesakademie und Seminarleiter. Das Foto stellte mir Olaf Schilgen, ein Seminarteilnehmer, zur Verfügung.

Im Juli nahm ich am PR-Con in Garching teil, wo die starke Delegation des PR-Stammtisches Graz schon zu den Stammbesuchern zählt – wir waren zu sechst. Unmittelbar nach dem Con flog ich nach England zu einem Seminar über CLIL – Content and Language Integrated Learning –, was ich mit einem einwöchigen London-Aufenthalt verband, auf den Spuren meines ersten und zweiten England-Besuches 1975 und 1996. Dann hätte ich ein wenig Zeit gehabt, die wie im Flug vergangen ist, bis ich mir am 15.9. den linken Arm brach – mit verzögerter Heilung und Operation nach Ärger mit dem einen Krankenhaus, wo man mich fastend drei Tage warten ließ, um mir am Freitagabend mitzuteilen, dass ich wieder nicht dran käme. Ich ließ mich dann von einem Freund in einem anderen Krankenhaus einen Arzt empfehlen, der mich eine Woche später operierte, dazu einen Knochen aus der Hüfte in die Speiche des linken Armes einsetzen musste und das Ganze mit 2 Platten und zwölf Schrauben zusammenpuzzelte. Es folgten acht Wochen Physiotherapie, zuerst dreimal, dann zweimal in der Woche. Seit Freitag darf ich den Arm wieder voll belasten – er schmerzt noch immer, ich bin da lieber vorsichtig. Das Foto wurde am Ende der dreistündigen Operation am UKH Graz gemacht.

Nebenbei besuchte ich Französisch-Kurse, las einigermaßen viel (ich komme derzeit auf einen Schnitt von 58,1 Seiten pro Tag – Bildbände, Heftromane und Zeitschriften mitgerechnet – seit Anfang Juni) und schrieb (fast) täglich drei Morgenseiten.

Ich wünsche allen Lesern ein frohes, erholsames Weihnachtsfest und hoffe, dass ich die Neujahrswünsche in einem neuen Blogeintrag anbringen kann. Der Wille dazu ist vorhanden.

Recherche

•So, 21. Juni 2009 • 1 Kommentar

Zur Eindämmung meiner fortgeschrittenen Prokrastination sah ich heute meine gesammelten Aufgaben durch. Dabei bemerkte ich, dass ein Schreibwettbewerb übernächste Woche Einsendeschluss hat. Natürlich fiel mir sofort dazu der Plot einer Geschichte ein, das gelingt mir immer, wenn die Zeit schon recht knapp ist. Ich weiß noch nicht, ob das ein Selbstschutzmechanismus ist – entweder reicht die Zeit überhaupt nicht für eine Geschichte aus oder ich kann sie nicht ad infinitum bearbeiten – oder einfach ausgeprägte Aufschieberei gepaart mit großer Vergesslichkeit und Unkonzentriertheit. Auf alle Fälle stellte ich bei der Recherche fest, dass in der Nähe meines Wohnortes die Geburtsstätte der Frau des berühmten Astronomen Johannes Kepler lag. Die Neugierde hatte mich gepackt und ich setzte mich in das Auto meiner Frau und fuhr hin.

062109_2140_Recherche1.jpgDie Ortsangabe war in dem Artikel sehr vage, eine Wegbeschreibung hatte ich mir nicht heruntergeladen und mein Navigationssystem war auch zu Hause geblieben. Ich glaubte, zumindest den Straßennamen zu wissen, aber wie ich später feststellte, war das ein Irrtum. So fuhr ich durch das Dorf ohne irgendeine Vermutung, wo das Gebäude sein könnte. Schließlich wendete ich und fragte einen Einheimischen. Zum Glück wusste ich noch, dass das Anwesen jetzt als Lehrlingsheim diente. Er beschrieb mir den Weg und ich musste halbwegs zurück nach Hause fahren, bis ich zur richtigen Abzweigung kam. Natürlich hieß der Weg „Weg“ und nicht Straße, wie ich in die GPS-Karte meines Handys eingegeben hatte. Auch der Ort hatte den Namen gewechselt.

062109_2140_Recherche2.jpgIch umrundete das Gebäude und machte unter den suspekten Blicken der gerade eintreffenden Lehrlinge und ihrer Eltern von allen Seiten Fotos. Eine große Gedenktafel wies auf das denkwürdige Ereignis vor mehr als vierhundert Jahren hin (an unserer Stadt ging es spurlos vorüber). Als ich die Nebengebäude fotografierte, trat gerade eine Frau mit ihrem Hund in den Garten. Ich sprach sie an, was sie sehr beruhigte, weil sie geglaubt hatte, dass ich zu sinisteren Zwecken ihre im Garten stehenden Autos abgelichtet hatte. Sie konnte mir einiges aus der Gegend erzählen, zusammen mit meinen schon gewonnenen Erkenntnissen ergab sich für mich ein stimmiges Bild, das ich jetzt in eine Kurzgeschichte umsetzen möchte.

Diese schnelle Recherche am Ort des historischen Geschehens hat mir sehr viel Spaß gemacht. Normalerweise bin ich nicht der Typ, der sich schnell zu so etwas aufrafft. Aber das einigermaßen erträgliche Wetter und die Nähe haben die Überwindung leicht gemacht. Auch ein Weg, die Aufschieberitis zu überlisten. Allerdings frage ich mich, ob ich mich damit nicht vor etwas anderem gedrückt habe und wenn ja, wovor?

Kreativität

•So, 14. Juni 2009 • Kommentar verfassen

Vor ein paar Tagen hörte ich im Radio einen Teil einer Sendung über Kreativität. Der Psychologe Andreas Fink kann Kreativität im Gehirn orten und stellte fest, dass bei kreativen Leistungen das gesamte Gehirn aktiv wird. Da ich mich in meinem Beruf mit begabten Kindern beschäftige, sah ich hier einen Zusammenhang zur Intelligenzforschung – die übrigens am selben Universitätsinstitut betrieben wird. Die Forschungsgruppe nennt sich differentielle Psychologie und machte wissenschaftlich mit der Taxifahrer-Studie von sich reden, wo sie zeigen konnte, dass intelligente Menschen beim Lösen von schwierigen Problemen ihr Gehirn effizienter einsetzen. Das erhärtet die alte Annahme, dass Intelligenz ohne Kreativität möglich sei, umgekehrt aber nicht. Was machen also Leute, die kreativ arbeiten wollen, sich aber als nicht intelligent betrachten?

Zunächst einmal: Intelligenz ist nicht fixiert, sie kann sich in jedem Alter wandeln. Natürlich wird es immer schwieriger, an seinen Potenzialen zu arbeiten, aber man kann sie selbst im hohen Alter noch verbessern. Sehr erwünschter Nebeneffekt: Dieselben Übungen dienen auch der Vorbeugung von Alzheimer. Was kann man also tun?

  1. Setzen Sie Ihr Gehirn so oft wie möglich ein. Vermeiden Sie dabei Passivität: Lesen ist besser als Fernsehen, Gehen oder Laufen beim Denken besser als Sitzen. Lernen Sie Ihren Einkaufszettel auswendig. Löschen Sie den Telefonnummernspeicher Ihres Handys. Spielen Sie Sudoku.
  2. Erfreuen Sie sich daran, wie mühelos Ihr Gehirn lernt: Gedichte, Balladen, Lieder, Fremdsprachen. Selbstmotivation („Intrinsische Motivation“) bringt Sie in den „Flow“, in dem die Zeit wie im Flug vergeht und Sie gar nicht mehr aufhören wollen. Die Wirkung auf den Körper ist ähnlich einer Droge!
  3. Kombinieren Sie Erfahrungen: Lesen Sie in der Natur, Schreiben Sie an ungewöhnlichen Orten (Flughafen, Schwimmbad). Setzen Sie sich in eine Ausgrabung und stellen Sie sich vor, wie Sie hier vor 2000 Jahren gelebt hätten. Besuchen Sie einen Töpferkurs.
  4. Träumen Sie! Sollten Sie zu den Leuten gehören, die meinen, nicht zu träumen: Lernen Sie, Ihre Träume festzuhalten. Im Traum kombiniert Ihr Gehirn nicht zusammengehörige Gedächtnisfetzen und löscht danach Verknüpfungen. Holen Sie diese kreativen Produkte bewusst zurück. Verwenden Sie dazu ein Traumtagebuch, das neben Ihrem Bett liegt. Schalten Sie den Wecker ab und lassen Sie sich von Ihren Träumen wecken. Schreiben Sie sie gleich auf.

Natürlich dauern diese Übungen. Nach längerer Zeit (mindestens einige Monate – bei mir stellten sich erste vereinzelte Erfolge nach drei Monaten ein) werden Sie dafür mit einer Fülle an neuen Perspektiven und Mut für Veränderungen belohnt.

Zeitfresser

•Sa, 6. Juni 2009 • 3 Kommentare

Kennen Sie die Zeitfresser? Das sind kleine Tätigkeiten, die Ihnen die Minuten des Tages stehlen, ohne dass Sie es merken. Manche davon wachsen sich zu regelrechten Monstern aus, wie zum Beispiel das „Nur-kurz-die-Tagesschau-gucken“, das für mehrere Stunden fernsehen sorgt. Erst nach Mitternacht wird einem die verstrichene Zeit bewusst.

Oder das „Kannst-Du-mir-kurz-helfen“, das häufig auch einige Stunden verschlingt. Wenig harmloser sind das „Schnell-die-Zeitung-durchblättern“ oder das „Der-Ausguss-muss-mal-wieder-gereinigt-werden“. Mit mehr Lustgefühl verbunden sind das „Nur-ein-kleines-Spielchen“ oder das „Kurz-in-den-Chatroom-schauen“. Zu dieser Kategorie gehören auch das „Schnell-die-E-Mails-checken“ und das „Dieser-Link-klingt-interessant“.

Ihnen gemeinsam ist, dass sie uns von unseren wichtigen Aufgaben abhalten. Daher ist es wichtig, seine eigenen bevorzugten Zeitfresser zu kennen. Oft steckt hinter diesen ein Suchtpotenzial, das zu kennen präventiv wirken kann. Doch wie kommt man ihnen auf die Spur? Wie bei jeder Jagd braucht man dafür Zeit. Zeit, um Zeitfresser zu finden, klingt widersinnig, aber diese Zeit ist gut investiert, kann sie doch zur Beseitigung der Zeitfresser führen.

Also gehen wir auf die Jagd nach Zeitfressern: Unsere Waffe ist ein Blatt Papier und eine Uhr. Wir tragen den Beginn und das Ende jeder Tätigkeit in dieses Blatt Papier ein (Dauer pro Tätigkeit ca. 10 s). Doch Vorsicht: Bei zu großer Sorgfalt kann sich dieses Protokoll auch zum Zeitfresser auswachsen! Am besten nehmen wir dazu einen normalen Arbeitstag, einen mit großer Belastung, einen mit geringer Belastung und zwei freie Tage, vielleicht einen Samstag und einen Feiertag. Idealerweise sollte diese Tage auch noch über die Woche verteilt sein. Das erhaltene Profil müssen wir noch auswerten. Das geht am schnellsten mit farbigen Textmarkern: Grün für wichtige Aufgaben, denen wir uns widmen wollten und/oder mussten, gelb für nicht so wichtige, aber trotzdem notwendige Aufgaben, und rot für alles andere. Und jetzt zählen wir die rot markierten Tätigkeiten und berechnen die dafür aufgewendete Zeit. Erschreckend, nicht wahr?

Meistens haben diese Zeitfresser mit den Wünschen und Bedürfnissen anderer zu tun. Das wichtigste Hilfsmittel im Kampf gegen sie ist das kleine Wort „Nein“. Wenn also wieder jemand einen Zeitfresser an Sie heranträgt, wehren Sie ihn ab: „Im Moment nicht“, „Vielleicht später“ und „Ich habe Kopfweh“ sagen dasselbe aus, klingen aber viel umgänglicher. Viel Erfolg dabei!

Zeit ver-managen

•Sa, 30. Mai 2009 • Kommentar verfassen

Wie viel Zeit kann man mit dem Planen und Zeit-Managen verbringen? Aus Erfahrung kann ich sagen: jede Menge! Ein kleiner Einblick in meine Tätigkeiten der letzten Woche:

  • Im Internet fand ich eine Verbindung der GTD-Methode mit Outlook und probierte sie gleich aus, aber sie entsprach nicht meinen Erwartungen.
  • Daher begann ich, Makros für Outlook zu schreiben, um meine bereits eingetragenen 274 Aufgaben in Projekte oder erste Schritte umzuwandeln – was nicht wenig Zeit kostete. Besonders, da ich bereits wieder vergessen hatte, dass ich schon Kategorien bearbeitet hatte und infolgedessen einige Zeit mit Recherche verbrachte, statt Programmteile zu kopieren…
  • Auch das Weiterlesen im Buch (Zeitmanagement mit Outlook, siehe unten) und
  • das (mehrmalige) Anhören von „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“ beim Fahren im Auto brachte keine wirkliche Weiterentwicklung hin zum Bearbeiten. Wie Johannes Kleese in seinem Blog „Getting Nothing Done“ schrieb, kann man mit GTD alles geregelt bekommen, aber erledigen muss man es immer noch selber.
  • Also setzte mich am Sonntag hin und begann eine „Schneeflocke“ (eine deutsche Zusammenfassung erschien im „Textart“ 2/2008 – und wie ich die Nummer in den alten Heften suchte, fand ich einen Artikel im 4/2008 „Zeitmanagement für Autoren“, den ich natürlich sofort – noch einmal – lesen musste!) für eine Geschichte zu entwickeln, die mir schon längere Zeit im Kopf herumgeht. Diese Geschichte entwickelte sich bis Dienstag ganz gut.
  • Mittwoch war ich in der Arbeit sehr angehängt (immer eine wunderbare Ausrede),
  • Donnerstag auch und noch von der Familie vereinnahmt (noch bessere Ausrede) und
  • Freitag beim Schreibstammtisch – also ruht sie seitdem.
  • Immerhin habe ich Donnerstag und Freitag jeweils eine Seite zum Thema „Warum ich heute nicht weitergeplottet habe“ geschrieben – manche sagen, im Schreibfluss bleiben sei alles…

Ich habe viele Gegner der „Schneeflockenmethode“ im Netz gefunden (z.B. hier), stellte jedoch fest, dass ich nach Szenenplanung gut schreiben kann (das „gut“ bezieht sich auf „kann“, da mein Schreiben noch nicht von der Öffentlichkeit beurteilt werden kann). Ich sehe eine Szene vor meinem „Inneren Auge“ und kann sie wie einen Film ablaufen lassen – nicht jede Szene, aber mit der Zeit immer mehr. Also schaue ich mir die Szenenplanung an und schreibe die Szene, die einen Film in mir ablaufen lässt. Die „Schneeflocke“ ist für mich ein gangbarer Weg, zu dieser Szenenplanung zu kommen.

Was plane ich in nächster Zeit? Weiter mit Zeitplanung zu arbeiten und hoffentlich bald aus der „Mindsweep“-Phase in die „Review“-Phase der GTD-Methode zu kommen: Alle „losen Enden“ zugeordnet und aus den „Kontextlisten“ genügend Schritte zur Abarbeitung meiner 274 aktiven Aufgaben erledigt zu haben. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss noch ein paar Aufgaben und Termine eintragen, die mir gerade eingefallen sind…

Autorentreffen Nürnberg 2009

•Fr, 22. Mai 2009 • 2 Kommentare

Ein zweites Mal über ein Ereignis zu schreiben fällt mir schwerer als gedacht. Irgendwie soll es doch ein Bericht – auch als eigene Gedächtnisstütze – sein, irgendwie aber auch etwas Neues, ich möchte ja eventuelle Blog-Leser nicht langweilen. Dazu kommt, dass ich dieses Blog nach zwei Tagen ohne Schreiben (natürlich mit guten und akzeptablen Ausreden) erstelle, offline, weil ich in meinem Hotel in Nürnberg sitze, und spät am Abend, weil wir bis jetzt noch zusammengesessen sind. Veröffentlichen konnte ich es aber leider erst in der Früh, weil mein Roaming nicht frei geschaltet war.

Von Anfang an erschien mir dieses Treffen wesentlich lockerer als das erste, vielleicht lag es an mir, weil ich mich doch als eher introvertierten Typ sehe, aber sicher auch daran, dass mich Ursula Schmid-Spreer bereits beim Betreten der Grauersche Antiquariatsbuchhandlung mit „Hallo Gerhard, schön, dass Du wieder dabei bist“ begrüßte. Als sie mir mitteilte, dass die Wiener schon da wären und noch draußen wartete, war ich leicht irritiert: Ich wusste zwar von vier Grazern, aber Wiener?

Es stellte sich heraus – und ich gestehe, dass ich mich auf die Vortragenden nicht vorbereitet habe – dass diesmal zwei Autoren lesen würden: Edith Kneifl kommt wirklich aus Wien und schreibt für einen österreichischen Verlag Kriminalromane. Sie führte uns in die Abgründe des Attersees und seiner Umgebung ein. Wie sie vorher schon androhte, schreibt sie wirklich knallharte Psychothriller und weckte die Leselust in uns.

Titus Müller las kurz aus seinem schon 2003 erschienenen Buch „Die Priestertochter“ (über ein slawisches Volk und seine grausamen Riten), das er heute ganz anders schreiben würde. Da er zu diesem Buch keine Beziehung mehr hat – er recherchiert bis zu einem Jahr und schreibt dann als Spezialist sein Buch, danach macht er den Kopf frei für das nächste – erheiterte er uns noch mit ein paar Geschichten aus seinem Leben, wie er sie in seinem Weblog beschreibt. Als bekennender Eisenbahn-Fan begeisterte mich seine Erzählung über den Sprung in den gerade abfahrenden Zug, der nach ein paar Metern mit geschlossenen Türen am Abstellgleis stehen blieb. Titus wusste sich zu helfen und rief die Bundesbahn-Hotline an, deren Nummer in allen Zügen angebracht ist – ein Lokführer musste ihn aus dem Zug holen und über die Gleise führen. Nachzulesen sind diese Geschichten in zwei kleinen Bändchen über die Widrigkeiten des Lebens.

Edith und Titus standen dann noch für Fragen zur Verfügung. Auch Titus hatte Fragen an Edith. Dann lud Ursula noch zu einem „Absacker“ in die Kellerbrauerei „Barfüßer“.

Heinz Spreer begrüßte mich beim Aufbruch mit einem festen Händedruck und „Mein Freund, der Blogger“, was mich sehr freute, besonders im Hinblick auf meine in diesem Blog schon mehrfach beschriebenen Probleme mit dem regelmäßigen Schreiben.

Da nach diesem Ausflug der Abend für Österreicher noch jung war und wir so kurz vor Mitternacht nicht schlafen gehen wollten, suchten Gerry und ich noch den Nürnberger Perry-Rhodan-Stammtisch – „suchen“ ist der falsche Begriff im Zeitalter (fast) unfehlbarer Navigationsgeräte. Im Lokal spielten noch vier Leute ein Kartenspiel und zwei sahen fern, die, die wir suchten, waren aber „schon lange“ gegangen.

Nach dem üblichen guten (und für mich eigentlich bescheidenen) Frühstück – was nicht am Hotel lag, sondern an meiner Unzufriedenheit mit meinem Gewicht – spazierte ich durch die mir mittlerweile vertraute Nürnberger Altstadt zum Bildungszentrum. Gerry und Andrea hatten mir schon einen Platz besetzt, Paul kam auch dazu. Mit Tee und Saft gestärkt, folgten wir der Eröffnung des Autorentreffens durch Ursula Schmid-Spreer.

In bereits gewohnt launiger Rede informierte sie uns über diverse Statistiken, die sie zum Treffen erstellt hatte. An den verbrauchten 360 Schwarzteebeuteln war ich sicher beteiligt, an den vierzig Litern Milch nicht, obwohl davon allein zwölf im Vorjahr anfielen, wahrscheinlich schon an den mehreren tausend Klopapierrollen und Papierhandtüchern, die das Bildungshaus anscheinend einzeln in Rechnung stellte.

Edith Kneifl eröffnete den Vortragsreigen und erläuterte uns die Hintergründe der Beziehung des Autors/der Autorin und des Lesers/der Leserin zu den einzelnen Figuren aus psychoanalytischer Sicht – sie ist ausgebildete Psychoanalytikerin („sechs Jahre Couch viermal die Woche“ macht ungefähr 1200 Sitzungen) und praktiziert in Wien. Beim Abschlussbeisammensitzen im Literaturcafé fragten wir sie, ob sie Personen und Vorfälle aus der Therapie zum Schreiben verwende: Nein, weil sie keine Verbrecher therapiert. Allerdings informiert sie jeden Patienten vor Beginn der Therapie über ihren Zweitberuf und fragt ihn, ob ihn das nicht störe – Patientinnen selbstverständlich auch.

Edith hielt sich streng an ihre Rauchpausen – wie sie mir beim Gang zum Mittagessen erklärte, ein Relikt aus der „oralen Phase“ – was mir asthmatischen Nichtraucher Gelegenheit zu Gesprächen mit anderen Teilnehmern gab. Ich liebe diese Gespräche und halte sie für einen ganz wichtigen Punkt des Autorentreffens.

In der Schlussdiskussion zu ihrem Vortrag stieß insbesondere das Konzept der Urszene als Grundlage aller Kriminalgeschichten auf große Beachtung: Das sehr kleine Kind beobachtet zufällig geschlechtliches Beisammensein von Erwachsenen, insbesondere der Eltern. Es reagiert darauf mit Ängsten, aber auch ödipalen Verhaltensweisen und Schuldkomplexen. Selbst Kinder, die ohne Eltern aufwachsen, sollen diese Szene in ihren Phantasien ausleben – mit den gleichen Nebenwirkungen. Dieses Konzept diskutierten wir am Abend auch noch einmal.

Doch auch der Einblick in ihre Arbeitsweise, den sie uns gewährte, war spannend: Zum Beispiel, dass sie aus Kurzgeschichten zu einem Thema (z.B. Triest) einen Kriminalroman macht. Oder ihr Eingeständnis, manchmal schlecht zu recherchieren: Einen Hund stellte sie mit schweißnassem Fell dar.

Beim Mittagessen im Marientorzwinger konnten wir weiter über die Urszene und das Schreiben von Romanen sprechen, da sich Edith an unseren Tisch setzte. Auch Titus und Heinz Spreer saßen schon da. An einem anderen Tisch kam es beinahe zu einem schweren Unfall: Anscheinend hatte sich eine Kollegin zu tief über die Kerze gebeugt, ich sah, wie ihre Haare Feuer fingen. Sie und andere waren geistesgegenwärtig genug, das Feuer schnell auszuklopfen. Nicht auszudenken, wenn sie in Panik verfallen wäre!

Titus sprach nach dem Mittagessen über Überarbeitung, und einige werden wohl beim Gedanken an 10 (zehn!!) Überarbeitungen verzweifelt sein. Allerdings bot Titus auch Anleitungen und Checklisten. Titus bearbeitet:

  1. jeden Morgen die Seiten, die er am Vortag geschrieben hat
  2. nach zwei bis drei Wochen einen größeren Sinnzusammenhang (mehrere Kapitel) [Anmerkung: Ich schaffe in zwei bis drei Wochen NICHT mehrere Kapitel!)
  3. nach zwei Monaten einen Teil des Romans
  4. nach einem halben Jahr die Hälfte des Manuskripts
  5. nach einem ganzen Jahr das ganze Manuskript
  6. nach einigen weiteren Wochen noch einmal
  7. gibt er das Manuskript an 2-3 ausgesuchte Testleser, fügt Verbesserungen basierend auf ihren Rückmeldungen ein
  8. nimmt sich sein Lektor zunächst einmal der Inhalte an
  9. in einer zweiten Runde des Stils und der Rechtschreibung
  10. korrigiert Titus die Druckfahnen.

Es wundert dann nicht mehr, dass er sein erschienenes Buch nicht noch einmal liest…

Titus formulierte Fragen zum Überarbeiten und erläuterte uns, warum sie so wichtig sind. Kurz zusammengefasst:

  • Der Leser muss wissen, wo und aus wessen Sicht die Handlung erzählt wird
  • Die Szene muss lang genug sein und im richtigen Moment abbrechen (Titus schilderte seine Probleme mit zu kurzen Szenen aus Angst, zu viel zu „labern“)
  • Die Figuren müssen ihr ganzes Können einsetzen
  • Die Szene muss aus dem richtigen Blickwinkel erzählt werden
  • Die Dialoge müssen glaubwürdig sein
  • Keine Wort- oder Konstruktions-wiederholungen
  • Keine überflüssigen Adjektive
  • Konkret sein und alle Sinne ansprechen (fühle Sandkörner beim Barfußlaufen)

Auch die Sprache muss passen, der Leser soll den Roman nicht analysieren müssen, sondern ihn erleben (wie Filmmusik – man weiß, jetzt passiert gleich etwas, ohne bewusst auf die Musik zu hören).

Mit vielen Beispielen lockerte er seinen Vortrag auf. Bei Dialogen sollte man auch zwischen den Zeilen lesen (was meint eine Frau, wenn sie sagt, dass ihr kalt sei?). Oder der Tipp, sich das Manuskript selbst laut vorzulesen. Und besonders hilfreich: Die Zeit für sich arbeiten zu lassen: Man fängt ein Thema an und geht dann abwaschen oder spazieren, und die Probleme lösen sich von selbst (eigentlich werden sie vom Unterbewusstsein gelöst). Und vor allem: Die ersten dreißig Seiten des ersten Romans müssen die besten sein, die wir schreiben können – sie müssen einen Lektor überzeugen.

Zuletzt, aber nicht als Geringster (klingt auf Englisch viel besser) referierte Roland Rosenbauer (rechts, am Rednerpult) zum Thema „Schreiben fürs Hören – Verständlich formulieren“. Sein Vortrag ist vollständig in den wie auch im Vorjahr hervorragenden Tagungsunterlagen enthalten. Meine Quintessenz: Schon beim Schreiben muss ich überlegen, welche Textpassagen ich einmal vorlesen könnte.

Das Abendessen beim „Barfüßer“ wurde einigen zu viel, auch ich kämpfte – immerhin erfolgreich, die Waage wird es nicht danken – gegen eine Gemüselasagne.

Danach gab es wieder Lesungen der TeilnehmerInnen, ein Programmpunkt, an dem ich auch einmal teilnehmen möchte. Wie immer wurde auf die gelungenen Stellen hingewiesen, aber auch sehr konstruktiv auf fragwürdige Textbereiche – durchaus mit unterschiedlicher Meinung.

Wir hörten den Beginn einer Dreiecksbeziehung bei einem Seminar, eine sehr moderne und schräge Version des Märchens vom Rotkäppchen, den Beginn einer Nachkriegsfamilien-geschichte über eine verlorene Schwester, Gedichte und Aphorismen in gereimter Form (sehr mutig der Versuch, trotz Anwesenheit von „native Speakern“ Kaiser Franz Joseph im Originaldialekt reden zu lassen), den Beginn eines Romans über Leprakranke im 13. Jahrhundert, ein Kinderbuch-Manuskript über ein elfjähriges Mädchen mit einem wahrscheinlich unter Epilepsie leidenden kleinen Bruder und eine zur Familienkrise führende Beobachtung zweier Katzen.

Im Strom der Teilnehmer gelangte ich dann ins Literaturcafé, wo ein kleiner Rest sich noch über frühkindliche Erinnerungen (Urszene!), Schule (insbesondere die österreichische!) sowie Nach- und Kriegserinnerungen unterhielt.
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Am Freitag um 11 gab es dort ein weiteres Treffen. Wir tauschten internationale juristische Seltsamkeiten aus, wobei sich Heinz Spreer als unschlagbarer Kenner des deutschen Strafrechts herausstellte. Wir Österreicher hatten ohnehin eine (schreibende) Anwältin dabei, und die schwyzer Kollegin ließ sich von ihren Polizisten auch nichts gefallen.
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Auch auf unsere E-Mail-Schreibgruppe möchte ich noch hinweisen. In letzter Zeit (und auch davor) waren die Aktivitäten eher bescheiden, aber wer weiß?

Abschließend mein Dank an Ursula Schmid-Spreer und Heinz Spreer für die hervorragende Organisation. Ich werde nächstes Jahr sicher wiederkommen.

Sollte jemand mit der Veröffentlichung seines Bildes nicht einverstanden sein, bitte eine kurze E-Mail an mich.

Trott und Motivation

•Sa, 16. Mai 2009 • Kommentar verfassen

Wie ich letzte Woche schrieb, bedeutet das Verlassen des gewohnten Alltags für mich neue Erfahrungen, zusätzliche Bekanntschaften und andere Eindrücke – alles für Reisende selbstverständlich. Worauf ich allerdings bei meinen letzten „Ausbrüchen“ geachtet habe: Gewisse Konstanten im Alltag trotzdem durchzuführen – das Schreiben der „Morgenseiten“ habe ich bei beiden Ausflügen beibehalten, aber auch die eine Seite am Abend, die in einem Jahr zu einem kompletten Roman führen könnte, schrieb ich kontinuierlich weiter. Meine Outlook-Eintragungen verwalte ich auch regelmäßig, und die lückenlose Erfassung der Einfälle und Ideen – meistens in Aufgaben umgearbeitet – funktioniert auch: Es werden immer mehr, aber durch die konsequente Anwendung diverser Ansichtstechniken im Outlook bleibt mir trotzdem der Überblick erhalten. Und jeden zweiten oder dritten Tag sehe ich die Aufgaben durch und verlängere die Fälligkeitstermine.

Ich habe auch eine Hängeregistratur angelegt, mit Tagen und Monaten durchnummeriert (43-Ordner-System), benutze sie aber maximal einmal in der Woche, weil ich einfach zu wenig Papier im Durchlauf habe. Allerdings kann ich dort andere Dinge „versenken“, an die ich denken muss. Wie ich in Motivation I+II beschrieben habe, versuche ich gerade, Outlook mit David Allens GTD-Methode zu verschränken und das Ganze dann an meinen persönlichen Arbeitsstil anzupassen. Momentan sind mein Schreibtisch und mein Eingangsordner total überladen, was für mich aber weniger Demotivation bedeutet als früher, weil ich weiß, dass das Aufräumen bedeutet schneller geht als bisher, wenn ich mich konsequent dahinterklemme.

Alles in allem bin ich noch nicht zufrieden, aber trotz Krankheit und Reisen habe ich es geschafft, eine weitere Konstante zu meinen anderen Umstellungen hinzugefügt: Ich lese wieder mehr, nicht nur Fachliteratur, sondern auch „nur“ zum Vergnügen: Eine halbe Stunde pro Tag. Nicht viel, aber wie sagte Neil Armstrong: Ein kleiner Schritt…

Aus dem Trott

•So, 10. Mai 2009 • Kommentar verfassen

Diesmal mit einem Tag Verspätung: Es ist bereits die 4. Woche, in der ich meine Meinung, meine Gedanken und meine Erfahrungen ins Netz stelle. Die Verspätung resultiert aus meiner Abwesenheit vom gewohnten Schreibort: Ich befinde mich in Frankreich, in Haute Provence an einer Forschungseinrichtung im Rahmen eines internationalen EU-Seminars. Als ich von diesem Seminar erfuhr, war ich zuerst sehr skeptisch, ob ich fahren sollte – „fahren“ im allgemeinen Sinne, natürlich bin ich geflogen – das Thema interessierte mich schon, zumindest das wenige, das ich darüber erfahren hatte, aber lohnte sich letztlich der ganze Aufwand?

Aber da ich beschlossen hatte, meine Trägheit so gut wie möglich zu überwinden, meldete ich mich doch an und bestellte im Internet Flugkarten. Zu Beginn der Woche wurde ich überdies auch noch krank, ich hatte also eine gute Ausrede, abzusagen. Doch die von mir vorfinanzierten Flugtickets weckten meinen Geiz: Ich war nicht sicher, ob ich im Falle, dass ich nicht gefahren wäre, die Kosten refundiert bekommen hätte. Also begab ich mich zum Arzt und ließ mich mit Antibiotika behandelt.

Die Reise überstand ich einigermaßen gut, und die Luftveränderung – zuerst Marseille direkt am Mittelmeer, dann auf 600 m Seehöhe in der Provence – bekam mir ausgezeichnet: Ich bin noch nicht ganz gesund, aber kann wieder ohne Probleme schlafen und konnte ohne weiteres dem Programm folgen.

Welche Schlüsse ziehe ich daraus für mich? Ich brauche ab und zu das Verlassen der gewöhnlichen, ausgetretenen Wege. In den meisten Fällen führen diese (doch kleinen) Veränderungen zu positiven Erlebnisse. Hier zum Beispiel lernte ich eine Menge freundliche Leute aus halb Europa kennen: Griechen, Briten, Rumänen, Polen, Portugiesen, Iren, Belgier, Tschechen, und natürlich Franzosen. Diese Kontakte helfen mir, meine doch vorhandenen Vorurteile abzubauen und offen auf meine Mitmenschen aus aller Welt zuzugehen. Und das allein ist doch ein bisschen Anstrengung wert!

 
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